Wagenfeld – Am 14. Juli fand im Europäischen Fachzentrum Moor und Klima Wagenfeld der 6. Niedersächsische Tag der Landentwicklung und der Tag der Landwirtschaft in Mooren unter dem Motto „Klimaschutz.Moore.LändlicherRaum“ statt, zu dem das niedersächsische Landwirtschaftsministerium eingeladen hat. Rund 180 Personen nahmen an den insgesamt sechs zur Auswahl stehenden Workshops mit den Themen Moor, Klimaschutz, Landwirtschaft und ländlicher Raum teil.
In ihrem Grußwort zu der Veranstaltung betonte die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast als Gastgeberin die besondere Verantwortung Niedersachsens für den Klimaschutz, da Niedersachsen „Moorland Nummer 1 in Deutschland“ ist. Sie stellte klar, dass die Weiterentwicklung der Moorflächen nur gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten sowie allen anderen Akteuren vor Orten wie die Regionalplanung, die Wasserwirtschaft, der Naturschutz und der Tourismus gelingen kann. Die Ministerin betonte, dass sich bei der Finanzierung von Moorschutzmaßnahmen der Bund beteiligen muss.
In den sechs anschließenden Workshops beschäftigten sich die Teilnehmer/innen mit den relevanten Themen „Wassermanagement und Moore“, „KlimaAllianz Dorfentwicklung Landwirtschaft“, „Klimaschutz und Transformation der Landwirtschaft in Mooren“, „Flurbereinigung in Moorbereichen“, „Paludikulturen – Wege zur Umsetzung“ und „Entwicklungschancen in Moorregionen“.
Paludikulturen war eines der Schwerpunktthemen der Veranstaltung. Das 3N Kompetenzzentrum führte unter der Moderation von Dr. Marie-Luise Rottmann-Meyer den Workshop „Paludikulturen – Wege zur Umsetzung“ durch und zeigte besonders vielversprechende Entwicklungsmöglichkeiten für nasse organische Böden auf. Denn mit der Paludikultur werden die entwässerten organischen Böden nicht nur vernässt, sondern auch weiterhin landwirtschaftlich genutzt. Durch den Anbau von Rohrkolben, Schilf oder Torfmoosen als nachwachsende Rohstoffe für den Baubereich oder als Torfersatzstoff soll die Wertschöpfung in ländlichen Regionen erhalten bleiben. Mit der Vernässung wird zudem der Torf konserviert, die Treibhausgasemissionen stark gesenkt und die Bodensackung gestoppt.
In seinem Impulsvortrag stellte Dr. Jens-Uwe Holthuis, Leiter des Projekts CANAPE im Landkreis Diepholz, das Konzept des Sphagnum-Farmings vor, die nachhaltige Landnutzungsform auf Hochmoorböden. Allein in der Diepholzer Moorniederung gibt es über 1.000 Quadratkilometer Moore, welches vor allem als Grünland, aber auch als Acker genutzt wird. Auf der einen Seite werden dadurch große Mengen an Treibhausgasemissionen verursacht, auf der anderen Seite stellen diese Flächen eine Existenzgrundlage für die Landwirtschaft dar. Herr Holthuis ging dabei insbesondere auf die 2020 etablierte Sphagnum-Farm in Barver ein. Die Sphagnum-Farm besteht aus 2 Poldern, die insgesamt eineinhalb Hektar groß sind und in denen Torfmoose und Sonnentau kultiviert werden. Die Treibhausgasemissionsreduktion beträgt schätzungsweise 9 Tonnen CO2-Äquivalente pro Hektar und Jahr. Mit der Biomasse können viele unterschiedliche Produkte hergestellt werden, wie z.B. Gartenbausubstrate, Medizinprodukte, ökologisches Dämmmaterial, Floristikprodukte oder Saatmaterial. Damit dieses neue Landnutzungsverfahren als Geschäftsmodell praktisch umgesetzt werden kann, müssen die Rahmenbedingungen EU-weit, national und regional geändert werden.
In dem anschließenden Impulsvortrag verdeutlichte Dr. Colja Beyer (Niedersächsische Kompetenzstelle Paludikultur) das Potential für Paludikulturen und die Chancen für das Land Niedersachsen. Die gesamte Kulisse der organischen Böden beträgt ungefähr 500.000 Hektar. Über die Hälfte wird laut „Niedersächsischer Moorlandschaften“ als Grünland genutzt. Ein beträchtlicher Teil ist auch Ackerland. Nur ein sehr kleiner Teil der Flächen befindet sich im naturnahen nassen Zustand oder wurde bereits wiedervernässt. Die jährlichen Treibhausgasemissionen aus niedersächsischen organischen Böden betragen mehr als 12 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente, das sind ungefähr 12 % der gesamten niedersächsischen Emissionen. Die Einrichtung von Paludikulturflächen würde zu einer deutlichen Verringerung der Treibhausbilanz führen. Der Potentialstudie der Kompetenzstelle zufolge können, konservativ geschätzt, die jährlichen Treibhausgasemissionen aus den landwirtschaftlich genutzten Flächen innerhalb Niedersachsens um rund 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden. Anbauen lassen sich insbesondere Torfmoose, Schilf, Rohrkolben und andere Gräser wie Rohrglanzgras und Seggen. An einigen Standorten kommen auch Schwarzerlen in Frage. Die geerntete Biomasse lässt sich vor allem stofflich für Gartenbausubstrate oder Baustoffe verwenden, aber auch eine energetische Verwendung ist möglich. Zur Erprobung der Niedermoor-Paludikulturen wurden vom 3N Kompetenzzentrum und anderen Einrichtungen mehrere Versuchspolder in Niedersachsen eingerichtet.
In der Podiumsdiskussion diskutierten Detlef Tänzer, Fachdienstleiter Kreisentwicklung des Landkreises Diepholz, Prof. Dr. Heinrich Wigger, Institut für Materialprüfung an der Jade Hochschule Oldenburg und Dr. Jan Köbbing, Firma Klasmann-Deilmann den Handlungsbedarf und die Marktchancen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Detlef Tänzer machte deutlich, wie wichtig die Moorvernässung für den Landkreis Diepholz ist. Neben Renaturierungsmaßnahmen rückt jetzt auch die Paludikultur in den Fokus. Professor Wigger beschäftigt sich seit Jahren mit der stofflichen Verwertung der Biomasse und sieht langfristig große Chancen bei der Verwertung für Baumaterialien. Er machte aber deutlich, dass Zulassungsverfahren für die Produkte noch durchgeführt werden müssen, was Zeit benötige, bevor die Produkte auf den Markt gebracht werden können. Die Firma Klasmann-Deilmann beschäftigt sich intensiv mit dem Torfmoos-Anbau. Dr. Köbbing stellte die Verwendung der Torfmoose als Aussaatmaterial vor, um neue Flächen, z.B. Renaturierungsflächen, anzulegen. Das Verfahren wird zurzeit weiterentwickelt. Alle drei Vertreter schätzten die Zukunft für Paludikulturen als positiv ein, sahen aber noch Bedarf bei der Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie in der Forschung und Entwicklung.